Die Nachfrage nach energiesparenden Reifen wächst, aber auch die Produktion von Reifen aus recycelten Altreifen oder nachwachsenden Rohstoffen. Bisher werden für die Herstellung von Reifen in hohem Maße Rohöl und Naturkautschuk verbraucht. Daneben werden alte oder abgenutzte Reifen bei der Neuproduktion einer Wiederverwertung zugeführt. Doch immer mehr Reifenhersteller verwenden als Ersatz für Öl und Chemikalien bei der Produktion von Reifen erneuerbare und umweltfreundliche Rohstoffe.
Laut Reifenhersteller Continental werden bei der Herstellung von Reifen des Unternehmens fossile Öle inzwischen bereits teilweise durch Rapsöl ersetzt. Daneben werden Zellulosefasern und Viskose anstelle von Polyester zur Verstärkung der Reifen-Karkassen verwendet. Die Vorstöße von Reifenherstellern, die auf alternative Rohstoffquellen zugreifen, sind allerdings bislang weniger einem wachsenden Umweltbewusstsein geschuldet, sondern erheblichen Problemen bei den Herstellungskosten, was sich auf den finanziellen Gewinn auswirkt.
Nach Angaben der International Energy Agency (IEA) werden sich im Jahr 2030 die Kosten für Rohöl gegenüber 2007 um voraussichtlich 20 Prozent erhöhen. Entsprechend steigen die Kosten bei der Herstellung von Reifen. Doch obwohl Continental plant, den Einsatz fossiler Rohstoffe völlig aufzugeben, wird es sehr schwierig werden, dieses Ziel zu erreichen. Möglicherweise können nicht alle Komponenten, die bei der Herstellung von Reifen verwendet werden, durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden.
– Infografik: Continental
So kannten den Begriff „Rollwiderstand“ bis vor einigen Jahren nur wenige Verbraucher. Für Autoreifen bedeutet dies, dass ein Fahrzeug, welches auf Reifen mit geringem Rollwiderstand fährt, weniger Kraftstoff verbraucht und weniger Schadstoffe ausstößt. Tatsächlich ist es so, dass einige natürliche Materialien die Leistung des Reifens verschlechtern können, so etwa eben den Rollwiderstand und die Traktion. Daher werden Reifenhersteller kaum bereit sein, die Zuverlässigkeit ihrer Produkte zugunsten von mehr Umweltfreundlichkeit zu opfern.
Heute werden Reifen auf Basis einer Kombination von synthetischem Kautschuk aus Erdöl und Naturkautschuk aus Bäumen produziert. Naturkautschuk sorgt für mehr Widerstand als synthetischer, daher herrscht eine hohe Nachfrage des Rohstoffs für Reifen und eine ganze Reihe von anderen Produkten. Aber das Angebot an Naturkautschuk ist weitgehend abhängig von kleinen Gummibaum-Plantagen in Thailand, Indonesien und Malaysia.
Der amerikanische Hersteller Goodyear Dunlop ist inzwischen wie sein deutscher Konkurrent Continental bei der Entwicklung im Bereich der alternativen Rohstoffen aktiv geworden. Forscher von Goodyear haben als Alternative zu Erdöl das Sojabohnenöl entdeckt. Die Verwendung von Sojabohnenöl verändert nicht nur die Qualität der Reifen, sondern verbessert sogar die Laufleistung um rund 10 Prozent. Die reine Verwendung von Sojaöl würde den Rohöl-Verbrauch bei der Herstellung von Goodyear Dunlop Reifen um 26,5 Millionen Liter pro Jahr reduzieren.
Allerdings ist nicht nur eine Alternative für die fossilen Rohstoffe erforderlich, sondern auch für Naturkautschuk, der aus dem Saft von Gummibäumen hergestellt wird. Ein Mangel an dieser Ressource und den steigenden Preisen bringen Reifenhersteller dazu, nach anderen Möglichkeiten zu suchen. Daher haben Ingenieure von Marktführer Bridgestone, Cooper Tires sowie Ford zusammen mit Wissenschaftlern des Ohio Agricultural Research Center der Ohio State University in Wooster in einer Studie rund 1.200 verschiedenen Pflanzenarten getestet, die für die Herstellung von Gummi anstelle von reinem Naturkautschuk eingesetzt werden können. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist der Russische Löwenzahn am besten geeignet, denn beim Anbau dieser Pflanze wird nicht nur die vergleichsweise höchste Gummiqualität erzielt, sondern es auch die Produktion erleichtert und Probleme beim Transport gelöst. Die Pflanzen sehen so ähnlich aus wie Löwenzahn-Pflanzen, die im Garten wachsen, sind aber nicht die gleichen. Die russische Art – wissenschaftlich als Taraxacum kok-saghyz oder TKS bezeichnet – hat lange, dicke Wurzeln, welche eine geeignete Mischung aus Gummi-Polymeren, Proteinen und Fettsäuren enthalten, wie sie auch in natürlichem Latex enthalten ist. Wenn man eine TKS-Wurzel aufschneidet, tritt eine klebrige, milchig-weiße Flüssigkeit aus, die getrocknet zu einem Ball geformt elastisch springt.
– Infografik: The Plain Dealer
Das Potenzial für das Gummi aus Löwenzahn war bereits in den 1920er Jahren in Russland entdeckt worden. Da Naturkautschuk während des Zweiten Weltkriegs wegen der Verwendung für Flugzeug -und Lkw-Reifen und aufgrund von Einfuhrbeschränkungen nur begrenzt verfügbar war, begann man auch in den USA mit der Erforschung des Löwenzahns als alternativem Rohstoff. Die Forschungen wurde nach dem Krieg jedoch wieder aufgegeben.
Bridgestone hat ein Pilotprojekt zum Anbau und der Aufbau eines Gummi-Forschungszentrum gestartet, in der man sich auf die Entwicklung von Guayule- Gummi konzentriert. Der für Reifen erforderliche Ruß wird aus pflanzlichen Fetten und Ölen gewonnen, ein Härtungsmittel für Fasern und synthetischen Kautschuk der Karkasse ebenfalls aus Pflanzen. Erste vielversprechende Ergebnisse zeigen, dass der Russische Löwenzahn eine wirtschaftlich rentable, erneuerbare Quelle für qualitativ hochwertiges Reifengummi werden kann. Die Rohstoffmenge an Löwenzahn, die auf einem Hektar wächst, könnte eines Tages dazu dienen, bis zu 250 Pkw-Reifen zu produzieren. Innerhalb eines Jahrzehnts könnte so auf Reifen gefahren werden, die aus Löwenzahn hergestellt werden. Darüber hinaus kann Russischer Löwenzahn direkt in Ländern angebaut werden, in denen die Reifenproduktion stattfindet. Damit könnten die Probleme der Hersteller gelöst werden, von den Lieferungen aus politisch und wirtschaftlich instabilen Regionen abhängig zu sein, in denen Gummibaum-Plantagen existieren. Auch Ford plant, die Entwicklung sowohl von Russischen Löwenzahn als auch von Guayule zu verfolgen, um auf Pflanzen basierende Kunststoffe für Autoteile wie Stoßfänger zu entwickeln. Video: Bridgestone Tire Akron OH Technology Center Grand Opening (2012)
– Quelle: YouTube
Allerdings sind Umweltschützer noch nicht zufrieden. Sie glauben, dass der Anstieg im Bereich wachsender Monokulturen von Raps oder Russischem Löwenzahn neue Umweltprobleme zur Folge haben wird. Es wird also noch eine Weile dauern, bis Reifen aus nachwachsenden Rohstoffen in Massenproduktion zu erwarten sind. Gemäß Continental wird die Forschung erst in etwa fünf Jahren soweit sein.
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UPDATE 14.10.2013:
Continental und das Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und angewandte Oekologie in Münster haben jetzt ihre gemeinsamen Aktivitäten in Sachen nachwachsender Rohstoffe für Reifen der Öffentlichkeit vorgestellt. Offenbar wächst das Interesse, dieses Thema Euch als Kunden näherzubrinen, wenngleich die gewählten Formulierungen wie „Großes Potential für ‚Pusteblume‘ als Nutzpflanze“ (Originaltext Continental) sehr lyrisch formulierte PR ist.
– Wir bleiben weiter gespannt, welche konkreten Reifenerzeugnisse, die gleichermaßen gut im Handling, haltbar, und auch sicher sind, daraus in Zukunft hervorgehen.
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Auch bei Autoreifen kommt es eben auf die richtige Gummierung an. Hierbei auf Nachhaltigkeit zu setzen sehe ich als sinnvoll an. Anscheinend ist es möglich selbst bei der Gummierung von Autoreifen der Umwelt keinen großen Schaden zuzufügen, vielen Dank!
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