Billige Winterreifen aus China: Große Markenflut, wenig Sicherheit

Inzwischen tobt zweimal im Jahr ein Preiskampf im Segment Winterreifen, der bei Konsumgütern nur mit dem der Discounter für Lebensmittel oder Kraftstoff für Pkw zu vergleichen ist. Davon können Verbraucher profitieren, aber nicht nur, was günstige Preise angeht, sondern auch bei der Qualität. Allerdings sind einige einfache Kenntnisse von Vorteil, wenn es um einen Vergleich zwischen Tiefpreisen und Reifenmarken geht.

Die – hierzuland oft völlig unbekannten Marken – chinesischer Reifenhersteller werden von bekannten, bundesweit vertretenen Filialwerkstätten und Online-Plattformen für billige Reifen sowie als Aktionsware und Sonderposten speziell durch große Lebensmittel-Warenhäuser mit Nonfood-Abteilungen angeboten. Neben günstigen Preisen locken oft auch Angebote als Kompletträder, das heisst in der Kombination fertig vormontierte Reifen mit Felgen.

Die Redaktion der Zeitschrift AutoBILD hat bereits wiederholt einen prüfenden Blick auf Reifen geworfen, die aus Asien, besonders aus China, massenhaft importiert werden.  Besonders auffällig waren dabei durchgängig Schwächen der Reifen in der Haltbarkeit. Teilweise erbringen die günstigen Winterreifen aus Fernost nur die halbe Laufleistung bekannter Markenreifen. Im letzten großen Winterreifen-Test testeten die AutoBILD-Redakteure 50 Reifenmodelle verschiedener Hersteller. Unter den Schwächsten im  Feld waren gleich vier Reifen laut Kennzeichnung unterschiedlicher Marken, nämlich Rotalla, Imperial, Tracmax [laut Handelsplattform Alibaba.com ein Reifen-Produkt der Shandong Yongsheng Rubber Group] und Minerva [im Vergleich zu Imperial identischer EU-Webauftritt!], hatten aber alle die Modellbezeichnung „Ice-Plus bzw. „S110“ und das Laufflächenprofil sind bei den Modellen fast identisch.

Beim Blick auf die Eigenschaften dieser Reifen kam beim Fachmagazin Reifenpresse der Verdacht auf, dass die Produkte aus der gleichen Fabrikation stammen könnten. Viele Wege führen zum chinesischen Reifenhersteller Shandong Yongsheng Rubber Group. Gemäß der Testergebnisse ihr Bremsverhalten erheblich. Der Bremsweg bei Nässe des Rotalla S110 Ice-Plus beträgt 49,8 Meter, der des Minerva Ice-Plus S110 53,2 Meter – also ein Unterschied zwischen 6 und 7 Prozent, wobei dieser ohnehin meist länger als der vergleichbarer Markenreifen ist. Diese Testergebnisse deuten darauf hin, dass möglicherweise eine abweichende Zusammensetzung in der Kautschukmischung oder unterschiedliche Produktionsprozesse vorliegen.

Unsere schnelle Recherche ergab, dass auf globalen Handelsplattformen vieler dieser Reifenfabrikate direkt ab Werk in China angeboten werden, wobei meist nur ab sehr großer Stückzahl zu ordern, um die extrem niedrigen Preise zu gewährleisten. Um die „Qualität“ der Produkte zu unterstreichen, illustrieren zahlreiche Fotos der Fertigungsanlagen die Angebote. Allerdings liefern diese wenig Aufschluss über die Reifen-Entwicklung und sicherheitsrelevante Technologien, etwa zum Aufbau und Reifenprofil.

Es liegt also nah, dass mit derart vielen unterschiedlicher Marken-Bezeichnungen der Eindruck erweckt werden soll, über breitgefächertes und umfangreiches Reifen-Know-how zu verfügen. Doch der Anteil der chinesischen Reifen im weltweiten Markt fällt nach wie vor gering aus, verglichen mit führenden Markenherstellern. Marktführer im Segment ist Continental – darunter Marken wie Conti und Semperit – mit 37 Prozent Marktanteil. Dahinter liegt Bridgestone aus Japan auf Platz zwei mit 22 Prozent, gefolgt von den bekannten Reifenmarken  Michelin (14 Prozent) und GoodyearDunlop inklusive Fulda (6,8 Prozent). Traditionshersteller Pirelli aus Italien mit chineischen Anteilseignern hat derzeit 6,2 Prozent Marktanteil.  Der koreanische Reifenproduzent Hankook (3,7 Prozent) und  der finnische Hersteller Nokian (3,2 Prozent), besonders dank großer Verbreitung in Nordeuropa, sind die weiteren Verfolger (Quelle: Pirelli Newsletter / 19.-23.10.2015 mit Daten von Bloomberg). Hingegen ist der Anteil aller chinesischen Reifenmarken verschwindend gering. Bekannte unter den nachgefragten Reifen-„Marken“ aus Asien sind Goodride, Westlake, Sunny, Maxxis, Wanli, Infinity, Linglong, Sonar, Runway und Durun Tyres.

Unsere Empfehlung: Fragt Euren Reifenhändler nach konkreten Eigenschaften eines Reifens, für den Ihr Euch interessiert! Aussagen wie „die sind alle gleich“, „wo soll da schon ein Unterschied sein“ oder „für einen Winter hierzulande reicht es“ sind keinesfalls relevant. Über Sonderangebote im Warenhaus oder Werkstatt-Fillialbetrieb wird man ohnehin kaum Informationen zu einem Produkt geben können, da zentrale Einkäufer nach völlig anderen Kriterien ordern. Ein kompetenter Reifenmechaniker kann wesentlich bessere Kenntnisse und Erfahrungen über einen Winterreifen teilen.

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